Konzept
Die österreichische Männertagung 2011 widmet sich dem Thema Diversität von Männlichkeiten und diskutiert dabei unterschiedliche Männlichkeitsentwürfe vor dem Hintergrund relevanter gesellschaftlicher Diskurse im Feld der Männerarbeit und Genderarbeit. Die komplexen Relationen zwischen Frauen und Männern sowie zwischen verschiedenen Männlichkeiten werden dabei vor dem Hintergrund des Konzepts der hegemonialen Männlichkeit der australischen Soziologin Raewyn Connell diskutiert.
Nach einem einleitenden Referat, in welchem Raewyn Connell selbst das Konzept der hegemonialen Männlichkeit vorstellt und auf neue Erkenntnis ihrer transnationalen Studien Bezug nimmt, finden im Rahmen der Workshops am ersten Tag Auseinandersetzungen mit den von ihr vorgestellten Orientierungsmustern und Beziehungen zwischen Männlichkeiten statt.
Tag zwei dieser Veranstaltung ist auf die internen Relationen der Geschlechterordnung ausgerichtet, auf Dynamiken, Spannungsfelder und Potentiale im Aufeinandertreffen unterschiedlicher Haltungen und Vorstellungen von Männlichkeit. Damit findet die Diversität männlicher Orientierungsmuster ihren größten Ausdruck auf der Ebene von Beziehungs- und Aushandlungsprozessen.
Das Konzept der hegemonialen Männlichkeit von R. W. Connell
R.W. Connell (2000) richtet die Aufmerksamkeit auf „Prozesse und Beziehungen, die Männer und Frauen ein vergeschlechtlichtes Leben führen lassen“ (91) und definiert „Männlichkeit“ als „Position im Geschlechterverhältnis... (als) Praktik ... “ (91). Binnengeschlechtlich existiert nicht nur ein Männlichkeitsbild, sondern es existieren unterschiedliche Männlichkeitsbilder an denen sich Männer orientieren können. Connell unterscheidet hegemoniale, komplizenhafte, untergeordnete und marginalisierte Männlichkeit.
Bei der hegemonialen Männlichkeit handelt es sich um das vorherrschende dominante Modell männlicher Überlegenheit, das für eine Gesellschaft, bzw. für spezifische gesellschaftliche Gruppen (je nach Alter, Migration, soziale Lage, etc.) zu einer bestimmten Zeit die „Idealnorm“ darstellt. Dies wäre also in westlich orientierten Gesellschaften derzeit ein weißer, heterosexueller und verheirateter Mann in leitender Position, der die Familie ernährt, die eigenen körperlichen Bedürfnisse negiert und Emotionen weitgehend kontrolliert.
Die hegemoniale Männlichkeit fungiert als gesellschaftliches Leitbild, das eine idealtypische Norm darstellt, letztlich aber von sehr wenigen Männern erreicht wird. „Trotzdem profitiert die überwiegende Mehrzahl der Männer von der Vorherrschaft dieser Männlichkeitsform, weil sie an der patriarchalen Dividende teilhaben, dem allgemeinen Vorteil, der den Männern aus der Unterdrückung der Frauen erwächst“ (100). Die komplizenhafte Männlichkeit steht in unmittelbarer Machtnähe, ganz nahe an der hegemonialen Männlichkeit, profitiert von der patriarchalen Dividende, ohne aber die Risiken und Spannung der Macht aushalten zu müssen. Sowohl untergeordnete Männlichkeit (gemeint sind vor allem homosexuelle Männer, Männer in Frauenberufen, Männer in frauendominierten Lebensbereichen) und marginalisierte Männlichkeiten (Männer mit Migrationshintergrund aus Nicht-EU-Ländern oder Männer in unteren sozialen Lagen) stehen in einem untergeordneten hierarchischen Verhältnis zum gesellschaftlichen Leitbild führender männlicher Kultur.
Hegemonie: „Die Führungsebenen von Wirtschaft, Militär und Politik stellen eine recht überzeugende korporative Inszenierung von Männlichkeit zur Schau, die von feministischen Angriffen und sich verweigernden Männern immer noch ziemlich unberührt scheint. Diese Hegemonie zeichnet sich weniger durch direkte Gewalt aus, sondern durch ihren erfolgreich erhobenen Anspruch auf Autorität“ (98).
Komplizenschaft: „Als komplizenhaft verstehen wir … Männlichkeiten, die zwar die patriarchale Dividende bekommen, sich aber nicht den Spannungen und Risiken an der vordersten Frontlinie des Patriarchats aussetzen müssen… Sehr viele Männer, die an der patriarchalen Dividende teilhaben, achten ihre Frauen und Mütter, sind nie gewalttätig gegenüber Frauen, übernehmen ihren Anteil an der Hausarbeit, bringen ihren Familienlohn nach Hause und kommen nur allzu leicht zu dem Schluß, daß Feministinnen büstenhalterverbrennende Extremistinnen sein müssen.“ (100)
Unterordnung: „Am wichtigsten in der heutigen westlichen Gesellschaft ist die Dominanz heterosexueller Männer und die Unterordnung homosexueller Männer… Durch die Unterdrückung geraten homosexuelle Männlichkeiten an das untere Ende der männlichen Geschlechterhierarchie.“ (99) Homosexuell sein wird dabei mit Weiblichkeit gleichgesetzt. Aber auch heterosexuelle Männer und Buben können „aus dem Kreis der Legitimierten ausgestoßen werden“ (99), dann nämlich, wenn sie in feminin besetzen Lebenskontexten auftreten (Männer in Frauenberufen, aktive Vaterschaft/Väterkarenz, etc.).
Marginalisierung: Mit diesem Begriff beschreibt Connell die „Beziehungen zwischen Männlichkeiten dominanter und untergeordneter Klassen oder ethnischer Gruppen“ (102). „In einem weiß dominierten Kontext haben schwarze Männlichkeiten symbolische Bedeutung für die Konstruktion des sozialen Geschlechts von weißen“ (101) (Schwarze Spitzensportler, Schwarze Drogendealer, etc.) „die hegemoniale Männlichkeit unter Weißen (hält) die institutionelle und physische Unterdrückung aufrecht, welche den Rahmen für die Konstruktion einer schwarzen Männlichkeit bilden.“ (101)
„Ich möchte noch einmal betonen, daß Begriffe wie ‚hegemoniale Männlichkeit‘ oder ‚marginalisierte Männlichkeit‘ keinen festen Charaktertypen bezeichnen, sondern Handlungsmuster, die in bestimmten Situationen innerhalb eines veränderlichen Beziehungsgefüges entstehen“ (102)
R. W. Connell (2000). Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten. Opladen: Leske & Budrich. ISBN 3-8100-1805-8
R. W. Connell (1995): Masculinities. Cambridge: Polity Press, 1995 ISBN 0-7456-1469-8
Mag.a Elli Scambor, Forschungsbüro Männerberatung Graz